Ist unsere Gesellschaft krank? - Die Darbietungen beim Theaterfestival am Matthias-Claudius-Gymnasium ließen dem Publikum viel Spielraum zur Interpretation und gaben doch Antworten auf diese Frage. So verwandelte sich die Schule für einen Abend in ein theatrales Krankenhaus samt verschiedener Bereiche.
Am Empfang unseres Schullazaretts der darstellenden Kunst sorgt eine eindrückliche Choreografie für die erste Diagnose: Das was hier passiert, ist vermutlich hochansteckend! Zumindest deutet das Wirrwarr aus Bewegungen auf den kontrollierten Wahnsinn hin. Und so verbreiten sich die ersten Symptome - u.a. ein Grinsen auf dem Gesicht - so schnell wie die durchdringenden Bässe im Innenhof.
Darf es ein bisschen dramatisch sein? Dann verharrt doch einfach minutenlang bewegungslos auf einem Haufen. Im Lichtkegel des Scheinwerfers sieht das richtig episch aus. Aber wer hat eigentlich diesen Sprühregen bestellt? - Jetzt bloß keine Erkältung einfangen! Die Gäste im Hintergrund tragen mondän Arztkittel.
Das amüsierte Publikum huscht teils verlegen an den beleuchteten Schaufenstern der Notaufnahme vorbei. Die menschlichen Statuen ziehen alle Blicke auf sich und stellen genüsslich ihre Kunst zur Schau. Hier herrscht eine besondere Atmosphäre.
Wir sind anonyme Maschinen, die teils unsinnige Arbeit verrichten und uns dabei zu Tode schuften. Das Stück mit dem Titel "Burnout" wirft in der Gemeinschaftspraxis ein erschreckendes Bild auf unsere Gesellschaft. Die Akteure stampfen militärisch im Gleichschritt und wirken dabei wie Sklaven.
Die Genossen "Work", "Stress" und "Dead" mischen sich heimlich unter die Darsteller aus der Oberstufe. Die Schülerinnen und Schüler thematisieren wohl auch Folgen der heutigen Leistungsgesellschaft. Vor diesem kritischen Blick ist auch der beste Lernort nicht sicher.
Zum Glück ist hier und da auch eine Ärztin anwesend. Theaterlehrerin Frau Behnen und das Technikteam wirken recht zufrieden. Die Darbietung auf der Bühne läuft - nach einer aufreibenden Vorbereitung - wie am Schnürchen.
Die "SICKundarstufe" bringt Farbe ins Spiel. Der dramatische Appetit, der zu oft aus Langeweile vor dem Fernseher entsteht, wird mit einem Augenzwinkern aufs Korn genommen. Auch die Darsteller haben sich teilweise zum Fressen gern und tanzen anschließend zu technoiden Klängen. Einen Lacher wert:
Ich habe Hunger. Ich will Lasagne und Hummer.
So viele bunte Socken und Handschuhe sieht man einen Tag nach Aschermittwoch in Hamburg selten. Das Publikum ist entzückt und zückt Handys.
Beruhigung für die geschundenen Seelen der Besucher verspricht das Sanatorium. In mehreren Rundgängen entdecken kleine Patientengruppen die verschiedenen Stationen der Heilung. Der Andrang vor der Tür lässt vermuten, dass das theatrale Angebot nötig ist.
Die Pflegekräfte empfangen die Sanatoriumsgäste lieber mit Mundschutz. Sicher ist sicher!
Im Treppenhaus riecht es dezent nach Desinfektionsmittel und Nebelmaschine.
Jeder Patient verlässt das Sanatorium völlig gesund:
"Danke, mir geht es gut."
Im Labor inszeniert ein gewisser Dr. Wegemund mit seinen Patienten den "WoySICK! Hier geht es um mehr als Mord. Büchners Vorlage wurde erweitert und beeindruckend sowie eindringlich umgesetzt. Das Spiel mit Licht und Schatten verleiht der imposanten Darbietung im Theaterraum den letzten Schliff.
Gesellschaftskritische Filme, Musik, eine Modenschau und zahlreiche weitere Aufführungen rundeten das große Spektakel ab. Für manchen Besucher endete der Abend schließlich in der Pathologie, die am MCG zum Glück nichts mit den abnormen und krankhaften Vorgängen und Zuständen von Lebewesen zu tun hatte. - Es gab dort einfach nur Bratwurst.
Großer Dank gebührt allen Mitwirkenden und Helfern des 7. Theaterfestivals. Ohne die engagierten Schülerinnen und Schüler sowie zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer von MCG und CPG wäre der erstklassige Abend nicht möglich gewesen!