"Was der Mond rot aufgeht"

WoyzeckThet24

 

Immer wieder schreiben auch Schülerinnen und Schüler Artikel für unsere MCG-Homepage: Heute berichtet Oberstufenschülerin Antonia Loos (S3-Medienprofil) über den Besuch des Theaterstückes "Woyzeck" sowie die Nachbereitung des Abiturstoffes in der Schule.

 

"Nach der Lektüre des Sozialdramas Woyzeck von Georg Büchner, durften wir nun am Dienstagabend im SchauSpielHaus die Inszenierung Woyzecks der Regisseurin Lucia Bihler sehen und einen Tag später sogar mit der Regieassistentin Frau Lange am Matthias-Claudius-Gymnasium ein Gespräch führen. 

Worum geht es in der Oberstufenlektüre? In dem offenen Drama geht es um den einfachen Soldaten Franz Woyzeck, der sehr viel arbeitet, um für seine Freundin Marie und das gemeinsame Kind Christian sorgen zu können. Von Vertretern der höheren sozialen Schichten wird er immer wieder erniedrigt, gedemütigt und für menschenverachtende wissenschaftliche Experimente instrumentalisiert, bis er schließlich seine Freundin Marie wegen ihrer Affäre mit dem bessergestellten Tambourmajor ermordet. 

Als Endlosschleife inszeniert Lucia Bihler die Geschichte des Woyzeck. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen das Stück in einer Guckkastenzelle, ausgestattet mit Schallschluckern in einem grellen Rosa. Lautlos betritt Woyzeck den kleinen Raum, in dessen Mitte ein kleiner Tisch und zwei Stühle stehen. „S’ist Zeit, Marie", sagt Woyzeck und die Zuschauerinnen und Zuschauer ahnen, dass das Ende des Dramas vorweggenommen wird. Im Gespräch mit Frau Lange wird deutlich, dass das Grundprinzip der Inszenierung darin besteht, verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und zu untermauern, dass Woyzeck trotz erfahrener Untreue, Unterdrückung und Menschenfeindlichkeit noch eine andere Wahlmöglichkeit hat, als ein Femizid zu begehen. 

Erzählt wird dieses Geschichte im SchauSpielHaus mit sechs Darstellerinnen und Darstellern in grellen Kostümen, die allesamt Teufelshörner auf dem Kopf trugen. Mit Songs verschaffen die Figuren ihren Emotionen Ausdruck und machen ihre tragischen Verstrickungen erlebbar. Nach Frau Lange geht es auch darum, eine neue, eigene Welt zu schaffen. Anders als im Werk ist beispielsweise Marie beispielsweise eine starke, selbstbewusste Frau, die versucht, sich in der Männerwelt zu behaupten. Im Gespräch mit der Regieassistentin wird deutlich, dass bewusst Woyzeck nicht die alleinige Hauptfigur sein sollte. Statt den Fokus nur auf problematische Männlichkeit zu rücken, wurde das Thema der häuslichen Gewalt in den Mittelpunkt gestellt.

Frau Lange ermöglichte uns einen Einblick hinter die Kulissen und in Überlegungen zur Inszenierung: Fragen nach der symbolischen Bedeutung der Teufelshörner, nach Möglichkeiten des Ausbrechens aus der Gewaltspirale, nach der Wirkung des Stücks auf uns und inwiefern das für uns noch Woyzeck ist, wurden miteinander besprochen. Die Inszenierung rüttelt wach, irritiert, ist manchmal kaum auszuhalten, weil sie so aufdringlich, überfrachtet und übertrieben inszeniert wird – aber in dieser Hinsicht ist sie wieder passend, weil auch die Gewalt und Menschenunwürdigkeit, die Woyzeck widerfährt, kaum aushaltbar ist. Mal ersticht Woyzeck Marie, mal ersticht er sich, mal lässt er das Messer auf dem Tisch liegen. Am Ende der Inszenierung sitzen Marie und Woyzeck gemeinsam am Tisch: Woyzeck wiederholt seine anfänglichen Worte ("S’ist Zeit") und legt das Messer weg. Bleibt also doch ein Fünkchen Hoffnung?"